1920
Unsere Ortschaft war, soweit man sich zurückerinnert, im Turnverein Langnau vertreten. Das gestellte Turnerkontingent war bald kleiner. Es gab Zeiten, wo Zahl und Qualität der Bärauturner ganz ansehnlich war. Man konnte daran denken, selbst einen Verein zu gründen. Die Gründungsfrage war zwar schon öfters aufgenommen worden, musste aber an den finanziellen Schwierigkeiten scheitern.
Nicht aus separatistischen Motiven, oder dass es einem im Langnau-Turnverein nicht mehr gefallen hätte, gaben den Ausschlag zur Gründung des Vereines. Nur ungern verzichtete man auf die Annehmlichkeiten einer Turnhalle. Aber es ging um mehr. Man glaubte es dem eigenen Dorf schuldig zu sein, seine Prosperität und Zierde durch Erweiterung des gesellschaftlichen Lebens zu fördern. Andere Bärauvereine hatte bereits ihre Existenzberechtigung bewiesen; also warum sollte nicht auch ein Turnverein leben können, mit seinen idealen Zielen nicht sein Fortkommen haben? Im Juli 1920 setzten sich nun einige tatkräftige junge Männer zusammen und liessen eine Liste zirkulieren, worauf sich bald dreissig junge Männer und Burschen zum Turnbetrieb anmeldeten.
Von diesen waren acht im TV Langnau. Alle andern waren Anfänger, denen, ohne die Gründung eines Vereins die Turnerei wahrscheinlich fremd geblieben wäre. Sofort nach Wahrnehmung der Gründungstendenzen setzte sich die Leitung des TV Langnau mit den Bärauturnern in Verbindung und suchte die Gründung aus begreiflichen Gründen zu verhindern. Noch als der Bärauverein Gestalt angenommen hatte, suchte Langnau folgendes zu erreichen: Bei Turnfesten, gegenüber Turnverbänden, sollte Bärau nicht als selbstständiger Verein auftreten, sondern unter dem Langnauer Banner marschieren. Im Turnbetrieb und bei den Übungen, sollte den Bärauern Selbständigkeit zukommen. Bärau sollte eine Untersektion von Langnau werden. Dieser Vorschlag konnte keine Sympathien wecken; man war sich der in diesem Zwitterding liegenden Schwierigkeiten bewusst und wollte kein Feld der Zwistigkeiten schaffen. Man konnte nicht verhindern, dass Bärau am 8. Juli ein Schreiben, verfasst von W. Hubler, umging und die Interessenten auf den 12. Juli abends 8 Uhr in den Gasthof Adler zu einer Konferenz einlud. Am 16. Juli darauf wurde auch schon mit der turnerischen Arbeit begonnen.
Man fand sich wöchentlich zweimal ein und konnte dabei die befriedigende Erfahrung machen, dass es an brauchbaren Kräften nicht mangle. Bereits fanden sich schon immer gegen 30 Burschen ein, um den Übungen beizuwohnen. Diese ansehnliche Zahl munterte dazu auf, der Gründungsfrage ernsthaft näherzutreten.
Auf das immer vermehrte Drängen hin, namentlich der Jüngeren, wurde dann auf den 31. Juli 1920 eine Versammlung einberufen. Hier wurde dann die Gründungsfrage lebhaft diskutiert. Von dem Vorsitzenden W. Hubler wurden die Schwierigkeiten, die einer Gründung eines eigenen Turnvereines entgegenstehen, eingehend beleuchtet. Ein weiterer Punkt war die Frage eines Oberturners. Wohl hatte es unter den hiesigen Turnern welche, die nennenswertes zu leisten vermochten; aber es wollte keiner gerne die Bürde dieses Amtes übernehmen. Nach längerem hin und her konnte aber auch dieser Posten besetzt werden. Eine nicht geringe Rolle spielte auch die Platzangelegenheit. Die Schulkommission hatte aber dem jungen Verein in freundlicher Weise die Turnanlagen bei den Schulhäusern zur Verfügung gestellt. Der Platz musste aber auf eigene Kosten und grossem Aufwand seitens der Turner verbessert, und mit Pickeln, herbeischaffen von Sand und Sägemehl, für die Turnerei hergerichtet werden, Natürlich konnte der Platz nur bei schönem Wetter benutzt werden. Bei ungünstiger Witterung und im Winter probierte man den Adlersaal als Übungslokal heranzuziehen. Als Notbehelf musste dieser genügen. In der Folge wurde diesbezüglich mit dem Besitzer paktiert.
Um den Verein einen finanziellen Start zu ermöglichen wurde eine Sammlng von Haus zu Haus gestartet. Sie brachte einen ansehnlichen Betrag ein. Dazu kam ein Beitrag von Eidg. Turnverein und ein solcher vom Bern. Kantonal-Turnverein.
Somit nahm der Turnverein Bäau am 31. Juli 1920 offiziell seinen Anfang. An der Versammlung waren 28 Interessenten anwesend, welche sich unterschriftlich dazu bekannten, alle Pflichten und Rechte des nun gegründeten Vereines zu übernehmen. Der Vorstand setzte sich wie folgt zusammen:
Walter Hubler Präsident
Robert Möschberger Oberturner
Franz Leuenberger Kassier
Fritz Schär Sekretär
Hans Bolz Materialverwalter
Gottfried Baumgartner Beisitzer
Hans Liechti Vize-Oberturner
Robert Möschberger Vize-Präsident
Aus den Briefen von damals ist zu entnehmen, dass die Gründungstendenzen weitherum gespürt worden sind, denn von Leitern der Arbeiterturnvereine Ostermundigen und der Stadt Bern, wurde den Bärauern Hilfe zur Gründung eines Arbeiterturnvereins anerboten. Das fand aber bei den hiesigen Turnern keinen Anklang, denn man war frei von allen Klassenunterschieden und aller Politik. Inzwischen wurde schon tüchtig geübt. Die junge Sektion stellte an den Bern. Kant. Turnverein das Gesuch um eine Aufnahme in den Verband. Am 9. September traf schon die Aufnahmebewilligung ein. Mit dieser war man gleichzeitig in den ETV aufgenommen. Am 21. Februar 1921 wurde der Verein auch in den Oberaargauischen-Emmentalischen Bezirksturnverband aufgenommen. Am 1. Sonntag im Oktober führte eine weisse Schar von Bärau zum ersten Male eine Turnfahrt aus.
Diese hatte das Ziel den Napf. Draufgängertum und Wagemut hatten es inzwischen soweit gebracht, dass man auf den 11. Dezember 1920 schon an die Öffentlichkeit treten wollte, und zwar war vorgesehen, im Gasthof Bären in Trubschachen mit einer Vorstellung zu starten. Am 23. November wurde diese aber durch den Gemeinderat von Trub verboten, weil in der Ramsern und im Steinbach Seuchenfälle auftraten. Deshalb musste die Behörde ihre Bewilligung wieder entziehen. Das war für die wackeren Turner ein schwerer Schlag, hatte man doch für diesen Anlass Kostüme und Material vom Bürgerturnverein Basel geliehen. Doch unverzagt wie sie waren, suchten sie sich einen Ausweg und stellten an den Gemeinderat Langnau das Gesuch um Bewilligung eines im bescheidenen Rahmen durchgeführten Familienabends im Adlersaal Bärau. Derselbe konnte dann in Szene gesetzt werden, fand guten Anklang und hob das Ansehen des Vereins in der Ortschaft.
In diesem ersten Halbjahr konnte man schon verschiedene Turngeräte anschaffen: unter anderem einen Barren, ein Saalreck, zwei Paar Schwinghosen, zwei Sprungmatten usw. Das war 1920, das Jahr, das den Turnverein Bärau entstehen sah. Diese ersten Monate waren gerüttelt von Arbeit. Bis alle Schreibereien erledigt, der Turnplatz eingerichtet und all die andern Kleinarbeiten verrichtet waren, mussten die verantwortlichen Männer viel von ihrer Freizeit opfern. Aber der Preis, der damit errungen wurde, machte sich bezahlt.
Denn der Turnverein Bärau bezweckt: Durch Pflege des Turnens seine Mitglieder zu tüchtigen Männern heranzubilden, sie für das Gute und Schöne zu begeistern und in treuer Kameradschaft zu vereinen. Im Turnen den Körper und Geist für die tägliche Arbeit zu stählen. Das Turnen in die breite Masse des Volkes zu bringen. Lernen, sich unterzuordnen im Interesse des Ganzen, persönliche Wünsche hintenanzustellen und den Gemeinschaftsgeist zu fördern. Diese Ziele hat der Verein bis heute hochbehalten und wird sie auch weiterhin wahren, solange er sich treu bleibt. Schon anno 1920 hatte man gewusst, dass ein schwacher Körper befiehlt und ein starker Körper gehorcht, nur hatte noch keiner diese Worte geprägt.